Gelangweilt im Beruf: Boreout
Das Gefühl ausgebrannt zu sein verbinden die meisten von uns mit Burnout, d.h. dem Zustand einer körperlichen und emotionalen Erschöpfung durch Belastung und Überarbeitung. Doch es gibt auch Situationen, wo man beruflich nicht ausgelastet ist, und wenig Arbeit hat. Das kann zum Gegenteil führen: dem sogenannten Boreout. Wir sprachen mit Arbeitspsychologin Michelle Müller von Betriebsarztservice, was genau damit gemeint ist, wie man damit umgeht und präventiv dagegen vorgehen kann.
Frau Müller, üblicherweise ist es das Burnout, über das man spricht und das vielen Arbeitnehmern und Arbeitgebern Sorge bereitet. Boreout scheint ein Begriff zu sein, der noch nicht allzu weit verbreitet ist. Kann man wirklich so von der eigenen Beschäftigung gelangweilt sein, dass sich das auf die Gesundheit auswirkt?
Michelle Müller: Wenn man sich in der Arbeit ab und zu langweilt, weil es zum Beispiel zu wenig zu tun gibt, muss dies nicht immer gleich zu einem Boreout führen. Wie auch beim Burnout und einer chronischen Überforderung, kommt es hier ganz auf das Maß an Unterforderung und der daraus resultierenden Langeweile an. Kommen noch Desinteresse und eine fehlende Sinnhaftigkeit sowie Wertschätzung der Tätigkeit hinzu, kann dieses Maß über längere Zeit hinweg überschritten sein. Die Folge: Es können gesundheitliche Probleme entstehen.
Wie entwickelt sich üblicherweise ein Boreout?
MM: Eine Studie von Ralf Rukwid aus dem Jahr 2012 zeigte, dass rund 20 % aller Beschäftigten in Deutschland in ihrer aktuellen Tätigkeit unter ihrem Qualifikationsniveau arbeiten. Führen die gegebenen Arbeitsbedingungen über einen längeren Zeitraum hinweg zu subjektiver Unterforderung, mit der auch die Sinnhaftigkeit der Arbeit in Frage gestellt wird, können körperliche und psychische Symptome die Gesundheit der Beschäftigten beeinträchtigen. Zur Feststellung eines Boreouts spielen vergleichend zum Burnout vor allem auch der zeitlich überdauernde Aspekt und die Arbeitsrelevanz eine zentrale Rolle. Auch hier wird eine Zusatzdiagnose zu einer Depression bzw. Anpassungsstörung gegeben.
Was sind die Symptome?
MM: Ähnlich wie beim Burnout, können die Symptome eines Boreouts zum Beispiel Antriebslosigkeit, Müdigkeit, Unzufriedenheit und Gereiztheit sein. Auch psychosomatische Symptome wie Kopfschmerzen und Verdauungsprobleme können auftreten. Depressionen können hier bereits vorab auftreten oder parallel verlaufen.
Wie entkommt man der Sinnlosigkeit in der Arbeit? Mit wem kann man darüber sprechen?
MM: Es bietet sich immer an, mit Personen zu sprechen, die beruflich und privat mit involviert sind. Mit dem Vorgesetzten zu reden kann helfen, Arbeitsbedingungen zu verändern und Feedback und Anerkennung zu erhalten. Sich mit Kollegen auszutauschen, fördert die Unterstützung und das Teamklima. Teilweise lassen sich Aufgaben und Verantwortlichkeiten zwischen den Mitarbeitern rotieren. Mit der Familie und Freunden zu reden, kann Konflikte vermeiden. Eustress, das heißt positiver Stress, kann zudem der Schlüssel sein. Sich Herausforderungen zu suchen und Ziele zu setzen, ebenso wie sich vor Augen zu führen, was positive Aspekte an der Tätigkeit sind, kann für Sinnhaftigkeit sorgen.
Wirkt sich das Boreout, genauso wie das Burnout, auch auf das Privatleben aus?
MM: Durchaus. Da die Symptome sehr ähnlich sind und nicht plötzlich mit dem Verlassen des Arbeitsplatzes enden, kann es auch beim Boreout zu Auswirkungen auf das Privatleben kommen. Betroffene übertragen ihre Antriebslosigkeit, Gereiztheit und Unzufriedenheit auf das Privatleben, was zu Konflikten mit Freunden und Familie führen kann.
Muss man kündigen, um dem Boreout zu entkommen? Was kann man als Betroffener noch davor machen?
MM: Nein. Natürlich kann ein Boreout zu einer inneren Kündigung führen, wenn man keinen Ausweg aus der chronischen Unterforderung und fehlenden Sinnhaftigkeit sieht oder die Veränderungsmotivation nicht groß genug erscheint. Man kann jedoch immer erst einmal mit Vorgesetzten und Kollegen darüber sprechen und sich ihnen anvertrauen. Manchmal reichen schon kleine Änderungen an den Arbeitsbedingungen aus, um eine deutliche Besserung zu erreichen. Trauen Sie sich! Auch professionelle psychologische Hilfe bietet hierbei einen großen Mehrwert. Eine Kündigung kann jedoch als letzter Schritt auch eine Alternative sein.
Wie kann man als Unternehmer präventiv gegen Boreout vorgehen?
MM: So einfach es klingt, sprechen Sie mit Ihren Beschäftigten! Regelmäßige Mitarbeitergespräche und gutes Feedback sind essenziell. Die Sinnhaftigkeit der Tätigkeit kann durch das regelmäßige Entgegenbringen von Anerkennung und Wertschätzung deutlich gesteigert werden. Mitarbeitenden mehr Verantwortung zu übertragen und kleine Herausforderungen und Ziele zu schaffen, mindert die Monotonie und Langeweile und kann dafür sorgen, die Gesundheit der Beschäftigten zu erhalten und zu stärken.
Fünf Tipps gegen das Boreout
- Ignorieren Sie es nicht: Wenn Sie merken, dass Sie nicht ausgelastet sind und zu mehr fähig sind, sprechen Sie mit Ihrem Vorgesetzten oder mit Experten, z. B. Arbeitspsychologen.
- Analysieren Sie Ihre Tätigkeiten: Schreiben Sie auf, wie Ihre Arbeit strukturiert ist. Was sind Ihre Aufgaben? Bewerten Sie diese Tätigkeiten und machen Sie sich ein Bild von der Lage: Wie zufrieden sind Sie? Was wollen Sie verändern?
- Neue Herausforderungen suchen und annehmen: Sprechen Sie mit Ihrem Vorgesetzten über mögliche neue Aufgaben und Projekte, die Sie herausfordern und Ihnen neue Impulse geben.
- Nutzen Sie die Zeit kreativ: Wenn Sie in Ihrer Arbeit mehr Zeit zum Nachdenken haben, nutzen Sie diese, um sich selbst bewusst zu machen, was Sie wirklich wollen und wohin Ihr beruflicher Weg geht. Überlegen Sie, welche nächsten Schritte Sie setzen können.
- Suchen Sie eine neue Arbeit: Wenn die erwähnten Schritte zu keiner positiven Veränderung geführt haben, können Sie noch immer entscheiden, Ihre Beschäftigung zu wechseln. In einem neuen Unternehmen warten vielleicht neue und aufregende Herausforderungen auf Sie, die kein Boreout verursachen.
Quelle
Rukwid Ralf, 2012, Grenzen der Bildungsexpansion? Ausbildungsinadäquate Beschäftigung von Ausbildungs- und Hochschulabsolventen in Deutschland. Stuttgart-Hohenheim: Diskussion Paper. https://www.econstor.eu/handle/10419/60468
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